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KammerInfo |
Ausgabe Nr. 5/2023 vom 26. September 2023 |
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Gemeinsamer Appell der Anwaltschaft: Rechtsstaat in Israel schützen |
Die israelische Regierung unter Präsident Benjamin Netanjahu verfolgt seit Anfang des Jahres Pläne zu einem tiefgreifenden Umbau des Justizsystems in Israel. Hierzu zählen unter anderem eine Beschneidung der Kompetenzen des Supreme Court und eine Umgestaltung der Richterwahl, die stärkere Einflüsse der Politik auf die Besetzung von Richterstellen ermöglichen soll.
Gegen diese Pläne protestierten seit Jahresbeginn kontinuierlich hunderttausende israelische Bürgerinnen und Bürger. Auch die BRAK hat wiederholt ihre Sorge um den Rechtsstaat in Israel zum Ausdruck gebracht und hat Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann um Intervention gebeten, zuletzt in einem Schreiben Mitte Juli.
Für den Herbst wurden eine Reihe weiterer Gesetzesinitiativen angekündigt, die sich gegen Institutionen des Rechtsstaates richten. Hierzu zählen die Gerichtsbarkeit, die Unabhängigkeit der Rechtsberater der Ministerien und der Regierung sowie die anwaltliche Selbstverwaltung, die aufgelöst werden soll, um stattdessen die Anwaltszulassung und -aufsicht bei einem staatlich gelenktem Gremium anzusiedeln.
Am 12.9.2023 begann die Verhandlung des israelischen Supreme Court über das Gesetz, mit dem die sog. „Angemessenheitsklausel“ abgeschafft werden soll. Bei diesem Gesetz handelt es sich um eines der Kernelemente des Justizumbaus. Es nimmt dem Supreme Court die Möglichkeit, Entscheidungen der Regierung oder von Ministerien als unangemessen zu bewerten. Die Prüfung durch den Supreme Court dauert noch an. Sie wird erneut von massiven Protesten gegen den Justizumbau begleitet.
Nicht nur die BRAK, sondern auch die Rechtsanwaltskammer Berlin, die Deutsch-Israelische Juristenvereinigung und der Deutsche Richterbund nahmen dies zum Anlass, den Plänen zum Justizumbau entschieden entgegen zu treten. Gemeinsam unterzeichneten die Organisationen einen Appell zum Erhalt der Rechtsstaatlichkeit Israels, den sie der israelischen Regierung zukommen lassen werden.
Darin äußern sie ihre große Sorge um den Fortbestand des Rechtsstaats und der Demokratie in Israel. Denn aus ihrer Sicht bedeuten die Pläne der Regierung eine Abkehr von rechtsstaatlichen Strukturen sowie eine faktische Abschaffung der Gewaltenteilung. Sie erklären sich solidarisch mit den Anwältinnen und Anwälten, den Richterinnen und Richtern, Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftlern in Israel, die gegen den von der Regierung beabsichtigten Umbau von Justiz und Verwaltung protestieren. Dem Appell haben sich bereits weitere Vereinigungen und Rechtsanwaltskammern angeschlossen, darunter auch der Deutsche Anwaltsverein und die Rechtsanwaltskammern Thüringen, Hamburg, Karlsruhe, Oldenburg und Sachsen. |
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BRAK fordert Ende der rechtswidrigen Sichtung von Verteidigerkorrespondenz |
Staatsanwaltschaften ordnen derzeit vermehrt die Beschlagnahme und Sichtung der papiernen sowie digitalen Korrespondenz zwischen Beschuldigten und ihren Verteidigerinnen und Verteidigern an. Den der BRAK vorliegenden Berichten von Anwältinnen und Anwälten zufolge geschieht dies insbesondere bei Sachverhalten mit Bezug zu Cum-Ex-Fällen oder Sanktionsverstößen, und zwar selbst dann, wenn Post explizit als „Verteidigerkorrespondenz“ gekennzeichnet oder erkennbar ist.
Verteidigerkorrespondenz ist der Sichtung der Staatsanwaltschaft grundsätzlich entzogen und unterliegt nach § 97 I StPO einem Beschlagnahmeverbot. Die Sichtung von Verteidigerkorrespondenz verstößt daher evident gegen die Beschlagnahmefreiheit und verletzt damit ein zentrales Beschuldigtenrecht.
Mit einem Schreiben an die Justizministerinnen und -minister der Länder, und damit an die Dienstherren der Staatsanwaltschaften, fordert die BRAK ein umgehendes Ende dieser rechtswidrigen Praxis und bittet die Länder um ihre Unterstützung. Denn die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Mandantinnen/Mandanten und Anwältinnen/Anwälten muss mit Blick auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht (§ 43a BRAO) unantastbar bleiben. Diese schützt vor allem die Mandantinnen und Mandanten, aber auch das Interesse der Allgemeinheit an einer geordneten Rechtspflege.
Die BRAK fordert deshalb die zuständigen Ministerien auf, umgehend die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das rechtswidrige Handeln der Strafverfolgungsbehörden zu unterbinden und die Rechte der Beschuldigten und ihrer Verteidiger bzw. von Mandantinnen und Mandanten und Anwältinnen und Anwälten zu wahren. |
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Videoverhandlungen im Zivilprozess: Bundesrat plädiert für Ermessen des Gerichts |
Mit dem Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten sollen an diesen Gerichten künftig verstärkt Videoverhandlungen etabliert werden.
Zu dem Anfang Juni vom Bundeskabinett beschlossenen Regierungsentwurf hat sich nunmehr der Bundesrat kritisch geäußert. Er spricht sich unter anderem dafür aus, die Entscheidung über den Einsatz von Videokonferenztechnik allein in das pflichtgemäße – nicht begrenzte – Ermessen des Gerichts zu stellen und auf eine Begründungspflicht für den Fall ablehnender Entscheidungen zu verzichten. Die BRAK hatte sich im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens gegen eine derartige Ausgestaltung gewandt. Aus ihrer Sicht muss die Entscheidung, ob Videokonferenztechnik eingesetzt wird oder nicht, in das Ermessen der Parteien gestellt werden.
Die die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit, Anträge und Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle per Bild- und Tonübertragung zu ermöglichen, begrüßt der Bundesrat. Er weist darauf hin, dass zudem auch in der der physischen Rechtsantragstelle die Aufnahme formbedürftiger Erklärungen in digitaler Form ermöglicht werden sollte und formuliert insofern eine Prüfbitte. In seiner Stellungnahme äußert der Bundesrat sich ferner zu verschiedenen Aspekten der Erprobung vollvirtueller Verhandlungen.
In ihrer Gegenäußerung lehnt die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrates, die Entscheidung über den Einsatz von Videokonferenztechnik allein in das pflichtgemäße – nicht begrenzte – Ermessen des Gerichts zu stellen und auf die Begründungspflicht für den Fall ablehnender Entscheidungen zu verzichten, ab. Die vorgeschlagene Regelung bewirkt aus ihrer Sicht einen sachgerechten Ausgleich zwischen dem von Teilen der Anwaltschaft geforderten Anspruch auf Videoverhandlung und der Ermessensentscheidung des Gerichts.
Den Vorschlag des Bundesrates, auch in der physischen Rechtsantragstelle die Aufnahme formbedürftiger Erklärungen in digitaler Form zu ermöglichen, hat die Bundesregierung geprüft, spricht sich aber gegen seine Berücksichtigung im weiteren Gesetzgebungsverfahren aus.
Dem Vorschlag des Bundesrates, die Ermächtigung zur Erprobung der vollvirtuellen Videoverhandlung auch auf die Urteilsverkündung zu erstrecken, stimmt die Bundesregierung hingegen zu. Den weiteren Vorschlag, dem Gericht die Möglichkeit einzuräumen, den Aufenthaltsort der Verfahrensbeteiligten während einer Videokonferenz zu bestimmen, lehnt die Bundesregierung ab. Die vorherige Festlegung eines bestimmten Ortes, an dem sich ein Verfahrensbeteiligter während der Videoverhandlung aufzuhalten hat, nehme der Videoverhandlung die gewünschte Flexibilität.
Die BRAK hat sich bereits zum Referentenentwurf des Gesetzes mit einer Stellungnahme eingebracht und wird auch das weitere Gesetzgebungsverfahren intensiv begleiten. |
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Wachstumschancengesetz: Regierungsentwurf beschlossen |
Mit dem Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) sollen die Liquiditätssituation von Unternehmen verbessert und Impulse für mehr Investitionen durch Unternehmen gesetzt werden. Zugleich sollen Steuern vereinfacht und die Steuerfairness gestärkt werden. Daneben ist auch ein Pflichtenkatalog für Beraterinnen und Berater sowie für Steuerpflichtige vorgesehen; insbesondere sollen Meldepflichten bei nationalen Steuergestaltungen geschaffen werden.
Den im Juli vorgelegten Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums hatten die BRAK ebenso wie Verbände von steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufen scharf kritisiert. Insbesondere wurde die Ausweitung der Pflicht zur Mitteilung von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen auf innerstaatliche Steuergestaltungen (§ 138l ff. AO-E) beanstandet, die mit der anwaltlichen Verschwiegenheitsverpflichtung (und ebenso der beruflichen Verschwiegenheitspflicht von Steuerberaterinnen und -beratern sowie Wirtschaftsprüferinnen und -prüfern) kollidiert.
Die für Mitte August geplante Beschlussfassung im Bundeskabinett hatte Bundesfamilienministerin Lisa Paus wegen Unstimmigkeiten in Bezug auf die Kindergrundsicherung blockiert. Am 30.8.2023 hat die Bundesregierung bei ihrer Kabinettsklausur auf Schloss Meseburg nunmehr den Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes beschlossen. Er entspricht in großen Teilen dem Referentenentwurf, wobei auch Abweichungen feststellbar sind. Trotz der teils harschen Kritik von Seiten der betroffenen Berufsverbände wurde die erweiterte Meldepflicht als eine der „Maßnahmen zur Verbesserung der Steuerfairness“ unverändert in den Regierungsentwurf übernommen.
Der Gesetzentwurf wird nun in die parlamentarische Beratung gehen. Insofern können sich noch Änderungen ergeben. Eine Verabschiedung im Bundestag ist nach derzeitigem Stand für den 10.11.2023 geplant. Die Zustimmung des Bundesrates soll voraussichtlich am 15.12.2023 eingeholt werden. Die BRAK wird auch das weitere Gesetzgebungsverfahren kritisch begleiten. |
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Dokumentation strafgerichtlicher Hauptverhandlungen: Bundesregierung hält an automatischer Transkription fest |
Strafgerichtliche Hauptverhandlungen sollen künftig durch Tonaufzeichnungen dokumentiert werden. Das sieht der im Mai von der Bundesregierung beschlossene Entwurf für ein Gesetz zur Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung vor.
Nach heftiger Kritik vor allem aus Justiz und Staatsanwaltschaften an der ursprünglich geplanten audiovisuellen Dokumentation hatte das Bundesjustizministerium die reine Tondokumentation als Kompromiss vorgeschlagen. Aus Sicht der BRAK ist dies zwar nicht die beste mögliche Dokumentation, die mit heutiger Technik umsetzbar gewesen wäre. Weil sie aber das bestehende Protokollsystem im Interesse von Beschuldigten und Anwaltschaft für dringend reformbedürftig hält, fordert sie eine rasche Umsetzung des abgespeckten Reformprojekts.
Zwischenzeitlich hat der Bundesrat zu dem Gesetzesvorhaben Stellung genommen. Er bittet insbesondere um Prüfung, ob es neben einer Tonaufzeichnung zusätzlich eines Transkriptes bedarf, oder ob nicht die Tonaufnahme als unverfälschtes und authentisches Original zum Nachweis des in der Hauptverhandlung Gesprochenen ausreicht und besser geeignet ist.
Zu prüfen sei auch, wie die Persönlichkeitsrechte von Zeugen und Zeuginnen, insbesondere von Opfern einer Straftat nach dem Katalog des § 255a II 1 StPO – dazu zählen u.a. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und die Misshandlung von Schutzbefohlenen – besser geschützt werden können, wenn sie in der Hauptverhandlung aussagen (müssen) und dies digital dokumentiert wird. Er regt an, von der Aufzeichnung abzusehen, wenn das als Zeuge oder Zeugin zu vernehmende Opfer berechtigte Interessen geltend macht.
In ihrer Gegenäußerung vom 24.8.2023 betont die Bundesregierung, dass sie an der im Gesetzentwurf vorgesehenen automatisierten Transkription der Tonaufzeichnung festhalte. Gerade durch die Verschriftung mittels Transkriptionssoftware werde den Verfahrensbeteiligten ein Arbeitsmittel an die Hand gegeben, das der Aufzeichnung in seiner Praktikabilität erheblich überlegen sei. Das Transkript könne als digitales oder ausgedrucktes Textdokument deutlich besser als die Aufzeichnung selbst genutzt werden, etwa durch Suchfunktion, Markierungen oder Anmerkungen. Im Fokus der praktischen Arbeit werde in der Zukunft das Transkript stehen. Die Tonaufzeichnung sei Grundlage und zugleich Korrektiv des Transkripts. Bereits heutige Transkriptionsprogramme seien sehr leistungsfähig; eine weitere Leistungssteigerung sei in den kommenden Jahre zu erwarten.
Einer – mit erheblichem Personalaufwand verbundenen – nachträglichen Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit des Transkripts bedarf es laut Gegenäußerung der Bundesregierung nicht. Dies folge aus seiner Funktion als bloßes Hilfsmittel; zudem seien Transkript und Tonaufzeichnung eine Dokumentationseinheit, die Tonspur sei stets als Korrektiv verfügbar.
Mit Blick auf Opfer-Zeuginnen und Zeugen i.S.v. § 255 II 1 StPO will die Bundesregierung prüfen, ob entsprechende Ergänzungen vorgenommen werden. Maßstab sei, dass im Grundsatz eine Dokumentationspflicht besteht und dass dem Schutz der Persönlichkeitsrechte von Verfahrensbeteiligten bereits umfassend durch Verwendungs- und Zugangsbeschränkungen sowie technischen Schutzmaßnahmen Rechnung getragen werde. Die Möglichkeit, nach dem Ermessen des Gerichts von der Dokumentation abzusehen, komme daher nur in besonderen Ausnahmefällen vorbehalten mit besonders hohem Geheimhaltungsinteresse in Betracht.
Auch mit den weiteren Einwendungen des Bundesrates setzt die Bundesregierung sich in ihrer Gegenäußerung im Detail auseinander, etwa zur Frage einer Beschränkung der Verwendung der Dokumentation im Wiederaufnahmeverfahren.
Die BRAK hatte sich mit Stellungnahmen zum Referentenentwurf und zum Regierungsentwurf intensiv am Gesetzgebungsverfahren beteiligt. Die im Präsidium zuständige Vizepräsidentin Ulrike Paul sowie der Vorsitzende des Strafprozessrechts-Ausschusses der BRAK, Prof. Dr. Christoph Knauer, führten zudem Gespräche mit den Regierungsfraktionen. Die BRAK wird das Gesetzgebungsvorhaben auch weiterhin eng begleiten. |
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Elektronisches Basisdokument im Zivilprozess: Update zum Reallabor |
In einem gemeinsamen Forschungsprojekt untersucht die Universität Regensburg mit den Lehrstühlen für Zivilprozessrecht (Prof. Dr. Althammer) und für Medieninformatik (Prof. Dr. Wolff) gemeinsam mit den Justizministerien Bayerns und Niedersachsens, ob und wie der Parteivortrag im Zivilprozess mit digitalen Mitteln besser dargestellt werden kann.
Das Forschungsprojekt „Strukturvorgaben für den Parteivortrag im Zivilprozess“ startete im März 2023. Es erprobt in Form eines Reallabors an den Landgerichten Hannover, Landshut, Osnabrück und Regensburg den Prototyp einer Software, mit der die Parteien – anstatt Schriftsätze auszutauschen – in einem digitalen Basisdokument unabhängig voneinander vortragen können. Der Vortrag ist dabei weder in seiner Struktur vorgegeben noch inhaltlich beschränkt. Es ist aber möglich, direkt auf gegnerisches Vorbringen an passender Stelle zu antworten; ebenso können richterliche Hinweise direkt an der entsprechenden Stelle angebracht werden. Das Basisdokument dient dann dem Gericht, anstelle wie bisher die Schriftsätze, als Entscheidungsgrundlage. Die Erprobung erfolgt im Echtbetrieb und muss deshalb unter Beachtung der Vorgaben für den elektronischen Rechtsverkehr erfolgen.
Ziel des Projekts war von Anfang an, die gerichtliche und auch die anwaltliche Praxis einzubeziehen. Im Rahmen dessen hatten Vertreter des niedersächsischen und des bayerischen Justizministeriums das Forschungsprojekt bei der 164. Hauptversammlung der BRAK am 28.4.2023 in Erfurt im Detail vorgestellt und rege mit den anwesenden Präsidentinnen und Präsidenten der 28 Rechtsanwaltskammern diskutiert. Die BRAK ist auch weiterhin im Austausch mit den Beteiligten.
Die Projektverantwortlichen teilten nunmehr mit, dass die Rückmeldungen aus der Anwaltschaft sowie die Erkenntnisse aus der bisherigen praktischen Erprobung genutzt wurden, um die Anwendung zur Übermittlung des Parteivortrags im Basisdokument zu verbessern und insbesondere für Anwältinnen und Anwälte die Handhabung zu erleichtern. Unter anderem wurden bereits eine reine Einsichtsmöglichkeit für die Mandantschaft, eine Anzeigefunktion für aufeinander bezogenen Vortrag und eine verbesserte PDF-Exportfunktion umgesetzt, die neuen Vortrag und neue richterliche Hinweise voranstellt.
Mit Blick auf eine mögliche Umsetzung der Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt und die große Auswirkung auf künftige Zivilprozesse ist es wichtig, die anwaltliche Sicht möglichst breit einzubringen und an der weiteren Erprobung mitzuwirken. |
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Datenschutzrechts-Novelle: Sektorale Datenschutzaufsicht für die Anwaltschaft |
Mit dem Anfang August vom Bundesministerium des Innern und für Heimat vorgelegten Entwurf für ein Erstes Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) können Vereinbarungen des Koalitionsvertrags ebenso umgesetzt werden wie die Ergebnisse, die sich aus der im Jahr 2021 durchgeführten Evaluierung des BDSG ergeben haben. Neben einigen Klarstellungen und Streichungen werden darin die Videoüberwachung öffentlicher Räume sowie die Stellvertretung Deutschlands im Europäischen Datenschutzausschuss teilweise überarbeitet. Ferner wird eine Vereinheitlichung der Datenschutzaufsicht angestrebt; dazu soll die Datenschutzkonferenz, in der die Datenschutzbeauftragten der Länder sowie des Bundes bislang informell zusammentraten, institutionalisiert werden.
In ihrer Stellungnahme begrüßt die BRAK vorgeschlagenen Änderungen zur Vereinheitlichung der Datenschutzaufsicht als Schritte zu mehr Rechtssicherheit im Aufsichtsverfahren. Sie bringen aus ihrer Sicht jedoch nur kleinere Vorteile und sind teils auf bestimmte Bereiche – namentlich Wissenschaft, historische Forschung und Statistik – beschränkt, während andere Bereiche außen vor bleiben.
Die BRAK hält daher an ihren Forderungen nach einer Zentralisierung und sektoraleren Ausgestaltung der Datenschutzaufsicht fest. Die anwaltliche Unabhängigkeit und Verschwiegenheit gebieten es zudem, die Aufsicht über Datenverarbeitungen in Rechtsanwaltskanzleien in die anwaltliche Selbstverwaltung zu überführen. Sie erneuert zudem ihre Forderung, die Aufsichtsbefugnisse im anwaltlichen Kontext auf ein rechtsstaatlichen Ansprüchen genügendes Maß zu beschränken. |
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Steuerfragen für Anwältinnen und Anwälte: Neue BRAK-Information zu Scheinselbstständigkeit |
Im Steuer-ABC hat der BRAK-Ausschuss Steuerrecht sämtliche von ihm erstellte Publikationen zu steuerrechtlichen Fragen für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte überblicksartig dargestellt, um sie für Recherchen leichter zugänglich zu machen. Die verschiedenen Handlungshinweise sowie Publikationen in den BRAK-Mitteilungen sowie im BRAK-Magazin werden jeweils kurz zusammengefasst und verlinkt. Sie betreffen unter anderem Themen wie Betriebsprüfungen, die Gewerblichkeit anwaltlicher Tätigkeit, die Rechnungslegung sowie eine Reihe weiterer steuerrechtlicher Fragen, die für die anwaltliche Praxis relevant sind.
Neu aufgenommen wurde ein umfangreicher Beitrag zum Thema Scheinselbstständigkeit. Darin wird auf die erheblichen steuerlichen, sozialversicherungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Auswirkungen hingewiesen, die etwa eine Beschäftigung in „freier Mitarbeit“ nach sich ziehen kann, die tatsächlich als abhängige Beschäftigung erweist. Berücksichtigt sind dabei auch zwei aktuelle strafrechtliche Entscheidungen des Bundesgerichtshofs den maßgeblichen Kriterien für eine abhängige Beschäftigung sowie dazu, dass die Nichtabgabe jeder einzelnen Lohnsteueranmeldung eine eigenständige Steuerhinterziehung durch Unterlassen darstellt.
Das Steuer-ABC wird vom BRAK-Ausschuss Steuerrecht fortlaufend ergänzt und aktualisiert. |
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Zwangsvollstreckung: BRAK begrüßt geplante Neugestaltung der Formulare |
Mit der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung (ZVFV) wurden Ende 2022 die Formulare unter anderem für Vollstreckungsaufträge an Gerichtsvollzieher und für Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse an die aktuelle Rechtslage angepasst und digital nutzbar gemacht. Dazu wurden die Formulare inhaltlich, redaktionell und im Layout überarbeitet. Die ZVFV enthält in § 6 eine Übergangsregelung, wonach die bisherigen Formulare für Vollstreckungsaufträge an Gerichtsvollzieher für privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Geldforderungen noch für eine gewisse Zeit weiterhin genutzt werden können.
Nach Inkrafttreten der ZVFV am 22.12.2022 unterbreiteten Anwender und die gerichtliche Praxis Vorschläge zur Verbesserung der Handhabbarkeit der neuen Formulare. Diese wurden vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) aufgegriffen und sind Gegenstand eines im August vorgelegten Referentenentwurfs zur Änderung der ZVFV.
Weil noch aufwändige technische Anpassungen der Formulare nötig sind, kann die Realisierung vor Ablauf der Übergangsfrist nicht sichergestellt werden. Zudem wurde eine Verlängerung der Übergangsregelung auch aus dem Kreis der Nutzenden vorgeschlagen, weil die Anpassung der IT-Verfahren nicht rechtzeitig abgeschlossen werden könne. Daher soll die Übergangsregelung losgelöst von der inhaltlichen Änderung der Formulare verlängert werden. Hierzu legte das BMJ Anfang September den Referentenentwurf einer weiteren Änderungsverordnung vor. Der Entwurf ist noch nicht im Ressortkreis abgestimmt. Die Verordnung ist durch das BMJ zu erlassen und bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Die BRAK erarbeitet derzeit eine Stellungnahme dazu.
Zu der die Gestaltung der Formulare betreffenden Änderungsverordnung hat die BRAK nunmehr Stellung genommen. Sie begrüßt die vorgeschlagene Überarbeitung, merkt aber aus Sicht der anwaltlichen Praxis einige Punkte an. Sie schlägt insbesondere eine für die Praxis naheliegendere Reihenfolge der Datenfelder vor, denn die vorgeschlagene Anordnung und Bezeichnung hält sie für verwirrend. Mit ihren Änderungsvorschlägen zielt die BRAK darauf, die Formulare sowohl für die Anwaltschaft als auch für nicht anwaltlich vertretene Gläubiger besser handhabbar zu machen.
Die beabsichtigte Verbesserung der digitalen Nutzung der Formulare durch die Bereitstellung von Word-Dateien zur Erleichterung der Integration der Formulare in Software-Anwendungen sowie die vorgesehene Anpassung der XJustiz-Datensätze begrüßt die BRAK ausdrücklich. Sie setzt sich zudem kritisch damit auseinander, ob und an welcher Stelle die Abfrage der SAFE-ID des Gläubigers sinnvoll ist. |
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BFH: In Videoverhandlung müssen alle Richterinnen und Richter sichtbar sein |
Die Digitalisierung der Justiz und insbesondere die Durchführung mündlicher Verhandlungen per Videokonferenz sind derzeit Gegenstand der rechtspolitischen Diskussion. Derzeit läuft dazu auch ein Gesetzgebungsverfahren, das den Einsatz von Videokonferenztechnik in den Zivil- und Fachgerichtsbarkeiten fördern soll.
In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun eine wichtige Anforderung an die Durchführung von Videoverhandlungen festgehalten. Den Anlass dafür gab ein vor dem Finanzgericht Münster geführter Rechtsstreit um die steuerliche Einordnung von Einkünften, die ein gemeinnütziger Träger aus der Vermietung von Räumen an andere gemeinnützige Vereine hatte. Die mündliche Verhandlung fand per Videokonferenz statt. Die Kamera war dabei so eingestellt, dass während etwa zwei Dritteln der Verhandlung lediglich der Vorsitzende Richter des Senats zu sehen war; die anderen Richter waren selbst dann nicht zu sehen, wenn sie gerade sprachen.
Der Kläger unterlag in der Sache und legte Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH ein. Darin brachte er vor, er sei in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt, weil er das Verhalten der übrigen Richter nicht habe beobachten und einer finalen rechtlichen Analyse unterziehen können.
Der BFH entschied, dass bei einer Videokonferenz für die Beteiligten während der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung nach § 91a I FGO ‑ ähnlich wie bei einer körperlichen Anwesenheit im Verhandlungssaal ‑ feststellbar sein muss, ob die beteiligten Richter in der Lage sind, der Verhandlung in ihren wesentlichen Abschnitten zu folgen. Dies erfordert, dass alle zur Entscheidung berufenen Richter während der Videokonferenz für die lediglich zugeschalteten Beteiligten sichtbar sind. Daran fehle es jedenfalls dann, wenn für den überwiegenden Zeitraum der mündlichen Verhandlung nur der Vorsitzende Richter des Senats im Bild zu sehen ist.
In der Begründung seiner Entscheidung zog der BFH nicht nur das geltende Recht heran, sondern ging auch darauf ein, dass der Gesetzgeber auf einen verstärkten Einsatz von Videokonferenztechnik zielt. In der Begründung des Entwurfs für ein Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik wird ausdrücklich erwähnt, dass jeder Verfahrensbeteiligte und das Gericht die Möglichkeit haben muss, alle anderen Verfahrensbeteiligten und die Mitglieder des Gerichts zu jedem Zeitpunkt der Verhandlung sowohl visuell als auch akustisch wahrzunehmen. Dieselben Maßstäbe legt der BFH auch bereits für das geltende Recht an. |
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BRAK befürwortet geplante Überarbeitung des Völkerstrafrechts |
Mit dem Mitte Juli vorgelegten Referentenentwurf für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts sollen Strafbarkeitslücken geschlossen werden, die sich seit dem Inkrafttreten des Völkerstrafgesetzbuches im Jahr 2002 in der Praxis gezeigt haben. Damit reagiert das Bundesministerium der Justiz (BMJ) auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre, in denen das Völkerstrafrecht sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene zunehmend an Bedeutung gewonnen hat und in denen der Einsatz sexualisierter Gewalt massiv zugenommen hat.
Zentrales Ziel des Entwurfs ist es daneben, einen möglichst weitgehenden Gleichlauf zwischen dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) und dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch herzustellen. Dabei soll auch die Rechtsprechung des IStGH berücksichtigt werden. Berücksichtigt werden sollen außerdem die zwischenzeitliche Ratifikation des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen aus dem Jahr 2006 sowie kürzlich ratifizierte Änderungen des Römischen Statuts hinsichtlich des Kriegsverbrechens des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung.
Auf Anfrage des BMJ hat die BRAK zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen. Dabei beschränkt sie sich auf die vorgeschlagenen Änderungen zur Ausweitung der Nebenklage. Beabsichtigt sind u.a. eine Ausweitung der Nebenklagebefugnis in § 395 I StPO sowie erweiterte Möglichkeiten für Opfer von Völkerrechtsverbrechen, unabhängig von den Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe einen Rechtsbeistand zu erhalten. Zudem sind daraus sich ergebende Anpassungen zur gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung (§ 397b StPO), zur psychosozialen Prozessbegleitung und Zugang zu Dolmetschern vorgesehen.
Die BRAK begrüßt das Anliegen im Grundsatz, äußert aber im Detail zu einzelnen Punkten Bedenken. Für die Normenklarheit wäre es aus ihrer Sicht zielführender, die nebenklagefähigen Delikte ausdrücklich und konkret im Normentext zu benennen. Die Erstreckung der Nebenklagebefugnis auf sämtliche Mitglieder einer „politischen, rassischen, nationalen ethnischen, kulturellen oder religiösen“ Gruppe oder Gemeinschaft, denen grundlegende Menschenrechte entzogen werden, hält die BRAK für bedenklich. Dies können unter Umständen tausende oder gar Millionen von Personen sein. Jedenfalls insoweit droht eine signifikante und konturenarme Ausweitung der Nebenklagebefugnis mit allen praktischen Konsequenzen, die im Hinblick auf die Notwendigkeiten eines fairen und zügigen Verfahrens kaum vertretbar, aber auch in logistischer und finanzieller Hinsicht in der Praxis nicht handhabbar wäre. |
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Impressum
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Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Hamm
Körperschaft des öffentlichen Rechts, vertreten durch den Präsidenten,
Ostenallee 18, 59063 Hamm
Tel.: 02381/985000, E-Mail: info@rak-hamm.de, Internet: www.rak-hamm.de
Redaktion und Bearbeitung: RA Stefan Peitscher
Zuständige Aufsichtsbehörde:
Der Präsident des Oberlandesgerichts Hamm, Heßlerstraße 53, 59065 Hamm
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