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Startseite - Rechtsanwaltskammer Hamm
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KammerInfo |
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Ausgabe Nr. 16/2025 vom 15. Dezember 2025 |
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Frohe Weihnachten! |
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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir danken Ihnen für die gute Zusammenarbeit in diesem Jahr und wünschen Ihnen frohe Feiertage, eine erholsame Zeit und einen gelungenen Start ins neue Jahr.
Herzliche kollegiale Grüße Ihr Team der Rechtsanwaltskammer Hamm | |
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Rassismus und Hetze gegen Anwältinnen und Anwälte – „Grenze des Erträglichen überschritten“ |
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Die BRAK reagiert auf eine „schier unglaubliche Zahl von Attacken" und berichtet von zwei Hauptproblemfeldern:
Bedrohungswelle gegen Migrationsrechtler:innen: Seit diesem und dem vergangenen Jahr werden insbesondere Anwältinnen und Anwälte im Migrationsrecht „regelrecht überzogen“ mit Drohungen und Anfeindungen.
Rassistische Verbal-Attacken: Jüngst wurde der in Deutschland geborene Rechtsanwalt Chan-jo Jun, Vorsitzender des BRAK-Ausschusses IT-Recht, auf verschiedenen Plattformen massiv unter Bezugnahme auf seine südkoreanischen Wurzeln angegangen.
„Angriffe auf den Rechtsstaat"
BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels betont angesichts dieser Vorfälle die ernste Dimension der Angriffe. Er ordnet sie als „Angriffe auf den Rechtsstaat“ ein und erklärt unmissverständlich: „Es ist inakzeptabel, Organe der Rechtspflege aus rassistischer oder extremistischer Motivation heraus anzufeinden, ganz gleich, ob es um die Personen selbst oder das Rechtsgebiet geht, auf dem sie beraten.“
Auch Leonora Holling, Schatzmeisterin der BRAK und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft zur Sicherung des Rechtsstaates, fand deutliche Worte: „Wir sind nicht bereit, dieses Klima des Angriffs weiter hinzunehmen." Sie bekräftigte, dass die BRAK wiederholt ihre Stimme erheben musste, da die „Grenze des Erträglichen überschritten“ sei – und zwar längst. | |
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Prozessablöse durch Rechtsschutzversicherer: neue Online-Umfrage der BRAK |
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An die BRAK wurde das Thema herangetragen, dass Rechtsschutzversicherer – unter Erteilung von Rechtsrat – anwaltlich vertretene Mandantinnen und Mandanten durch Abstandszahlungen dazu anhalten, erteilte Mandate zu widerrufen und von der Rechtsverfolgung abzusehen. Mit einer Online-Umfrage möchte die BRAK eruieren, wie verbreitet dieses Vorgehen von Rechtsschutzversicherern ist. Anwältinnen und Anwälte sind daher eingeladen, ihre Erfahrungen in der Umfrage mitzuteilen.
Die Umfrage ist direkt über das beA-Portal durch Anklicken des mit dem BRAK-Logo versehenen Buttons „Umfrage Prozessablöse durch RSV“ zu erreichen.
Die Teilnahme an der Umfrage erfolgt ausschließlich anonym und die Umfrageergebnisse können nicht auf teilnehmende Personen zurückgeführt werden. Sie dauert nur wenige Minuten und ist noch bis zum 5.1.2026 möglich. | |
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Stärkung des Rechtsstaats: BRAK-Initiative erneut im Bundesrat |
Der Bundesrat wird am 19.12.2025 erneut über die Entschließung beraten, mit der Rheinland-Pfalz und Bremen eine Verankerung eines unabhängigen anwaltlichen Beistands im Grundgesetz anregen. Die Initiative greift die Forderung der BRAK-Hauptversammlung vom September 2025 auf, die sich einstimmig für eine Ergänzung des Art. 19 GG ausgesprochen hat.
Während der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik des Bundesrats empfiehlt, die Entschließung zu fassen, sprechen sich der Rechtsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten aktuell (noch) dagegen aus. Die BRAK begrüßt dennoch den Fortschritt und die zunehmende Aufmerksamkeit, die das Thema erhält.
BRAK-Präsident Dr. Ulrich Wessels betont, dass die unabhängige Selbstverwaltung der Anwaltschaft bislang lediglich durch die BRAO gewährleistet sei – und damit jederzeit politisch veränderbar: „Um dem Rechtsstaat dauerhaft Stabilität zu geben, braucht es eine ausdrückliche Absicherung im Grundgesetz – wie bei der richterlichen Unabhängigkeit.“ Ein verfassungsrechtlich verankerter Anspruch auf unabhängigen anwaltlichen Beistand wäre ein zentraler Schutzmechanismus gegen mögliche politische Einflussnahmen.
Finanzielle Bedenken weist die BRAK entschieden zurück. Schatzmeisterin Leonora Holling unterstreicht, dass durch eine Verfassungsänderung keine neuen staatlichen Kosten entstehen würden: Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe seien bereits heute verfassungsrechtlich geboten. Die Ablehnung mit Verweis auf mögliche Mehrkosten sei daher „schlichtweg falsch“.
In der laufenden Debatte sieht die BRAK ein wichtiges Signal für die Zukunft des Rechtsstaates und für die Bedeutung anwaltlicher Unabhängigkeit; sie bekräftigt ihre Bereitschaft, den weiteren Prozess fachlich und konstruktiv zu begleiten. | |
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Schulterschluss für ein starkes Fremdbesitzverbot |
In einer von der Bundessteuerberaterkammer initiierten gemeinsamen Erklärung wendet sich die Bundesrechtsanwaltskammer gemeinsam mit anderen wichtigen Organisationen der freien Berufe gegen die zunehmenden Aktivitäten finanzstarker, internationaler Finanzinvestoren. Sie fordern die Bundesregierung auf, das Fremdbesitzverbot spürbar zu stärken.
Im Fokus der Kritik des gemeinsamen Statements stehen Umgehungskonstruktionen, bei denen berufsfremde Investoren über Beteiligungs-, Ketten- oder Holdingmodelle faktisch Einfluss auf die Berufsausübung gewinnen. Die Unterzeichnenden sehen darin eine ernsthafte Gefahr für die Unabhängigkeit der freien Berufe – und damit für den Verbraucherschutz in sensiblen Bereichen wie Steuerberatung, Recht, Gesundheit und anderen freien Berufen.
„Mit seinem Urteil vom 19.12.2024 hat der EuGH klargestellt, dass das im deutschen Berufsrecht geregelte Fremdbesitzverbot europarechtskonform ist. Damit hat er unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine unabhängige Berufsausübung unter Beachtung spezieller Berufspflichten unabdingbar ist. Diese Unabhängigkeit darf keinesfalls durch reine Finanzinvestoren gefährdet werden, deren Ziel sich auf das Streben nach Gewinn beschränkt.“, so BRAK-Vizepräsident, André Haug. „Die BRAK begrüßt gemeinsam mit den anderen Unterzeichnern des Statements, dass der Referentenentwurf zum 9. Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 18.08.2025 eine Klarstellung des Fremdbesitzverbots vorsieht und damit ein wichtiges Signal für alle Freien Berufe setzt.“ | |
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Bundestag verschärft Ausländerrecht – BRAK warnt vor erheblichem Rückbau rechtsstaatlicher Garantien |
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Neben einer erleichterten Einstufung sicherer Herkunftsstaaten und neuen Sperrfristen im Einbürgerungsrecht umfasst das Gesetzespaket vor allem die Rücknahme der erst 2023 eingeführten Pflichtbeiordnung in Abschiebehaft. Die BRAK bewertet die Neuerungen kritisch und warnt vor einem erheblichen Verlust an rechtsstaatlicher Verfahrenssicherung.
Einstufung sicherer Herkunftsstaaten künftig per Verordnung
Mit der Reform kann die Bundesregierung Staaten nun ohne Zustimmung des Bundesrats per Rechtsverordnung zu „sicheren Herkunftsländern“ erklären. Die Regelung bezieht sich – formal begründet – nicht auf politisch Verfolgte im Sinne von Art. 16a GG, sondern primär auf die unionsrechtlich geprägten Schutzformen.
Zwar bleibt die Möglichkeit individueller Schutzgewährung im Einzelfall bestehen, jedoch führt die neue Systematik faktisch zu beschleunigten Ablehnungsverfahren und erleichterten Abschiebungen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Verordnungsermächtigung ist unter Staatsrechtswissenschaftler:innen umstritten; Prozessrisiken vor dem Bundesverfassungsgericht gelten als real.
Abschaffung der Pflichtbeiordnung in Abschiebehaft – BRAK übt scharfe Kritik
Besonders heftig kritisiert die BRAK die Rücknahme des Anspruchs auf staatlich finanzierte Pflichtanwältinnen und -anwälte für Personen in Abschiebehaft, Ausreisegewahrsam oder Überstellungshaft. Was erst 2023 als rechtsstaatlicher Mindeststandard eingeführt wurde, soll nun wieder entfallen – mit erheblichen Folgen für Betroffene eines Freiheitsentzugs.
Die BRAK sieht hierin die Abschaffung rechtsstaatlicher Grundsätze. Bei pflichtanwaltlicher Vertretung in Abschiebehaftangelegenheiten gehe es nicht um eine Verzögerung einer Rückführung, sondern um anwaltlichen Beistand hinsichtlich der Haft als solcher. Öffentliche Äußerungen seitens der Politik, es handle sich bei der Abschaffung der „Pflichtverteidigung“ um Ideologierückabwicklung kritisiert die BRAK aufs Schärfste.
Abschiebehaft kein Annex des Asylverfahrens
Abschiebehaft ist vom durchlaufenen Asyl- und Aufenthaltsverfahren zu trennen. Die Haft stellt einen Eingriff in Grundrechte der Betroffenen dar und ist nicht in jedem Fall rechtskräftiger Ausreiseentscheidung zulässig. Ein Haftgrund ist zwingend erforderlich, um die grundrechtsinvasive Haft zu rechtfertigen.
Rechtsanwältin Leonora Holling, Schatzmeisterin der BRAK und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sicherung des Rechtsstaates, findet deutliche Worte: „Pflichtanwaltliche Vertretung in Fällen von Abschiebehaft als Ideologie zu bezeichnen, halte ich nicht nur für fragwürdig, sondern für mit einem Rechtsstaat gänzlich unvereinbar! Die Abschiebehaft ist ein massiver Einschnitt und Eingriff, bei dem eine Notwendigkeit anwaltlicher Beratung besteht.“ Zudem seien rechtswidrige Inhaftierungen alles andere als selten.
BRAK-Präsident Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels teilt diese Einschätzung: „Was wir hier erleben, ist ein Abbau von Rechtsstaatlichkeit. Die BRAK kann und wird das nicht hinnehmen. Ebenso wenig, wie wir hingenommen haben, von Politikern als Teil der „Anti-Abschiebe-Industrie“ bezeichnet zu werden. Wir sichern den Zugang zum Recht. Und es geht beim anwaltlichen Beistand nicht um Verhinderung von Abschiebungen, sondern um Beratung hinsichtlich Inhaftierungen!“
Zehnjährige Sperrfrist bei Täuschung im Einbürgerungsverfahren
Durch die Reform wurde außerdem eine zehnjährige Sperrfrist für Personen eingeführt, die im Einbürgerungsverfahren vorsätzlich täuschen oder unrichtige Angaben machen. Die Regelung wurde kurzfristig im Innenausschuss ergänzt und soll bei Rücknahme einer Einbürgerung wie auch bei festgestellter Täuschung im laufenden Verfahren greifen.
Auch wenn die BRAK den Schutz der Integrität des Einbürgerungsverfahrens grundsätzlich unterstützt, sieht sie die Notwendigkeit klarer und verhältnismäßiger Kriterien, um eine Überdehnung der Sanktion zu vermeiden. | |
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Verbrauchervertragsrecht: Reformbedarf bei EU-Vorgaben |
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Online-Käuferinnen und -Käufer sollen künftig per Knopfdruck von Verträgen zurücktreten können: Der Bundestag hat Mitte Oktober den Regierungsentwurf zur Änderung des Verbrauchervertrags- und Versicherungsvertragsrechts erstmals beraten.
Kernstück der geplanten Reform ist die Einführung eines elektronischen Widerrufsbuttons für online geschlossene Fernabsatzverträge. Gleichzeitig will die Bundesregierung das bisherige „ewige Widerrufsrecht“ bei Versicherungs- und Finanzdienstleistungsverträgen einschränken und Unternehmen zu umfassenderen Informationen über Gewährleistung, Reparierbarkeit und Software-Updates verpflichten. Weiterhin sieht der Entwurf auch einen Anspruch auf die unentgeltliche Aushändigung der ersten Kopie der Behandlungsakte vor – eine Folge eines EuGH-Urteils vom Oktober 2023.
Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz befasste sich Mitte November in einer öffentlichen Anhörung mit dem Gesetzentwurf (BT-Drs. 21/1856, 21/2463). Neben sechs weiteren Experten nahm auch Dr. Maximilian Ott, Mitglied im BRAK-Ausschuss Schuldrecht, zu dem Vorhaben Stellung.
„Pragmatische Umsetzung" ohne Gestaltungsspielraum
Ott bewertete den Entwurf nüchtern: Er lasse „weder viel Raum für Kritik noch für Lob“ und stelle eine „pragmatische Umsetzung der Richtlinien“ dar. Die vollharmonisierenden EU-Vorgaben ließen dem nationalen Gesetzgeber kaum Spielraum für eigene Akzente. Der gewählte Ansatz, die Richtlinien vollumfassend zu übernehmen und dabei weder hinter den Vorgaben zurückzubleiben noch darüber hinauszugehen, sei vor diesem Hintergrund nachvollziehbar.
Dringender Appell: Vereinfachung auf EU-Ebene erforderlich
Umso nachdrücklicher warb Ott dafür, sich auf europäischer Ebene für eine grundlegende Vereinfachung der Widerrufsvorschriften einzusetzen. Die derzeitige Ausgestaltung sei für Rechtsanwender:innen unbefriedigend und für juristische Laien völlig undurchdringbar. Zwar bringe das geplante Gesetz im Bereich der Finanzdienstleistungen spürbare Verbesserungen, die problematische Gesamtstruktur bleibe jedoch unangetastet.
Die BRAK unterstützt ausdrücklich die Änderungsanregungen des Bundesrats zu § 356 IV BGB, durch die Streitigkeiten über die Ordnungsmäßigkeit von Widerrufsbelehrungen vermieden werden könnten. Deren Umsetzung dürfte allerdings am europäischen Vollharmonisierungsgebot scheitern. Rechtssicherheit würde dann erst nach einer Vorlage zum Europäischen Gerichtshof und damit erst nach jahrelanger Unsicherheit eintreten – ein Zustand, der weder Verbraucher:innen noch Unternehmen diene.
Der deutsche Gesetzgeber sowie die beteiligten Akteur:innen müssten daher künftig verstärkt darauf hinwirken, dass die Vorschriften zum Widerrufsrecht auf EU-Ebene vereinfacht und bestehende Unklarheiten ausgeräumt werden. | |
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Datenschutz- und KI-Regulierung: Ansatz zur überbrückenden Auslegung |
Sowohl auf europäischer wie nationaler Ebene laufen derzeit zahlreiche Debatten über umfassende Reformen der bestehenden Daten- und KI-Gesetze. Hintergrund ist, dass die zahlreichen Vorschriften dazu vielfach als überbordend, inkongruent und hemmend für die Wirtschaft wahrgenommen werden.
Gemeinsam mit anderen Autor:innen haben die Landesdatenschutzbeauftragten Hamburgs und Schleswig-Holsteins ein Diskussionspapier unter dem Titel „Bridge Blueprint“ vorgelegt. Mit dem darin geschilderten Ansatz soll Abhilfe weitgehend ohne regulatorische Novellierungen geschaffen werden, die ihrerseits Zeit kosten und zunächst eine weitere Phase der Unsicherheit bedeuten dürften. Dazu schlagen die Autor:innen einen Ausgleich (Brückenschlag) zwischen den divergierenden Anforderungen und Grundrechtspositionen vor, der weitestgehend auf Basis etablierter Auslegungsgrundsätze und bestehender Regelungen erfolgen könne.
Ansatzpunkt ist dabei die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie bleibt von anderen Digitalregulierungen „unberührt“, dies stellt nach dem Verständnis der Autor:innen des Diskussionspapiers jedoch nur ihre Geltung klar und begründet keine isolierte Auslegung. Daher schlagen sie eine Interpretation der DSGVO im Zusammenspiel mit der KI-Verordnung vor, die sich gezielt auf den Einsatz von Systemen fokussiert. So hilft beispielsweise der in der KI-Verordnung festgelegte Grundsatz der Vermeidung diskriminierender Ergebnisse, die Zwecke der Datenverarbeitung nach der DSGVO zu bestimmen; danach wären Datenverarbeitungen zulässig, die zur Vermeidung diskriminierender Ergebnisse erforderlich sind.
Mit einer Stellungnahme ihres Ausschusses Datenschutzrecht hat die BRAK die Gelegenheit ergriffen, frühzeitig anwaltliche Belange in diese Diskussion einzubringen. Sie begrüßt darin den rechtsdogmatischen Ansatz des Blueprints im Grundsatz und dringt auf eine Verankerung verfahrensrechtlicher Garantien wie des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf sowie auf anwaltliche Vertretung als zusätzliche Auslegungsmaximen. Ferner regt sie eine sanfte Normierung der Auslegungsrundsätze etwa in Gesetzesbegründungen oder Erwägungsvorschlägen an. Außerdem sollte der verbleibende Regelungsbedarf klar benannt werden, der aus ihrer Sicht durch die Vorschläge des Bridge Blueprint nicht gänzlich ausgeräumt werden kann. | |
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BRAK warnt vor Benachteiligung von Beklagten im neuen Online-Verfahren |
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Beklagte ohne Wahlfreiheit
Das im November 2025 vom Bundestag beschlossene Gesetz ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern, Geldforderungen bis zu einem Streitwert von 10.000 Euro online geltend zu machen. Was zunächst nach mehr Zugänglichkeit klingt, berge nach Einschätzung der BRAK erhebliche Nachteile für die beklagte Partei. Wie Sabine Fuhrmann gegenüber netzpolitik.org erläutert, wird die beklagte Person unweigerlich in das Online-Verfahren hineingezogen, sobald jemand online Klage einreicht. „Nach dem neuen Gesetz kann sie nicht auf einem analogen Verfahren bestehen“, betont Fuhrmann, die als Sachverständige in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz im Oktober gesprochen hat.
Von Anfang an habe die BRAK der Bundesregierung dringend empfohlen, den Beklagten eine Exit-Strategie einzuräumen. Beklagte sollten selbst entscheiden können, ob sie sich auf ein Online-Verfahren einlassen wollen oder lieber persönlich vor ihrem Amtsgericht erscheinen möchten. Das setze die beklagte Person enorm unter Druck und sei vor allem für Beklagte ohne anwaltliche Vertretung riskant, so Fuhrmann.
Mündliche Verhandlung wird zur Ausnahme
Ein weiterer kritischer Punkt betrifft die mündliche Verhandlung. Während im klassischen Klageverfahren eine mündliche Verhandlung zwingend vorgesehen ist, soll beim Online-Verfahren der Richter oder die Richterin nach freiem Ermessen entscheiden, ob er/sie die Parteien sehen will. Künftig werde der Beklagte demnach nicht mehr unbedingt in einer mündlichen Verhandlung angehört. „Sein Wort dringt womöglich nicht mehr bis zum Richter vor, so wie wir es von Zivilprozessen kennen", erklärt Fuhrmann die Konsequenzen. Dabei sei die mündliche Verhandlung gerade für die Überzeugungsfindung des Gerichts wichtig, da sich Richterinnen und Richter ein persönliches Bild von den Parteien machen können. Mit der großen Arbeitsbelastung drohe die mündliche Verhandlung zur Ausnahme zu werden. Entscheidet sich eine Richterin gegen die mündliche Verhandlung, hat der Beklagte frühestens im Berufungsverfahren die Chance vor Gericht zu treten – und auch nur, wenn der Streitwert über 1.000 Euro liegt.
Digitale Hürden und zu kurze Fristen
Die Anforderungen des Online-Verfahrens stellen laut Fuhrmann nicht nur für wenig digitalversierte Menschen eine erhebliche Hürde dar. Beklagte müssen sich auf einem Portal registrieren und identifizieren, die gesamte Kommunikation läuft dann digital. Das werde gerade für ältere Menschen zum Hindernis. Andere könnten bereits daran scheitern, dass sie nicht über die notwendigen technischen Geräte verfügen. Aus ihrem beruflichen Alltag weiß Fuhrmann, dass viele Mandantinnen und Mandanten nur ein Smartphone besitzen – wenn überhaupt.
Verschärft werde die Situation durch eine im Gesetz festgeschriebene Frist von zwei Wochen, innerhalb derer Beklagte erklären müssen, dass sie sich verteidigen wollen. Das sei viel zu kurz angesetzt, kritisiert Fuhrmann. Es bleibe viel zu wenig Zeit, um sich als Laie mit der Komplexität des Verfahrens auseinanderzusetzen oder einen Anwalt oder Anwältin zu suchen.
Anwaltsnotstand in ländlichen Gebieten
Ob Beklagte überhaupt rechtzeitig anwaltliche Unterstützung finden, hänge vom verfügbaren Angebot ab, ergänzt Dr. Tanja Nitschke, BRAK-Geschäftsführerin. Seit Jahren beobachte die BRAK, dass gerade in ländlichen Gebieten die Zahl der Kanzleien zurückgehe. Zwar könne man sich auch an Anwältinnen oder Anwälte irgendwo in Deutschland wenden, die dann gegebenenfalls telefonisch oder per Zoom-Call beraten. Doch sei das für Betroffene schwierig, die angesichts sensibler Angelegenheiten den persönlichen Kontakt suchen.
Rechtsstaat braucht Sichtbarkeit
Fuhrmann stellt abschließend klar, dass sie die Digitalisierung in der Justiz allgemein und im Gerichtsverfahren im Besonderen begrüße. Doch könne eine vollständig ins Digitale übertragene Justiz ihrer wichtigen Rolle im Rechtsstaat nicht gerecht werden. Dass es Gerichtsgebäude gibt, zu denen Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Anliegen auch hingehen können, mache den Rechtsstaat wahrnehmbar.
Die BRAK wird die weitere Entwicklung und die Pilotversuche an ausgewählten Amtsgerichten kritisch begleiten. | |
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BVerfG lehnt Treaty Override-Vorlage des BFH als unzulässig ab; Verfassungsmäßigkeit bleibt offen |
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Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Richtervorlage des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Verfassungsmäßigkeit von § 50d IX 1 Nr. 2 EStG („Treaty Override“) als unzulässig zurückgewiesen (Beschluss vom 21. Oktober 2025 - 2 BvL 21/14). Der Vorlagebeschluss genüge nicht den verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen, insbesondere nicht hinsichtlich der Entscheidungserheblichkeit der zur Prüfung gestellten Norm. Damit bleibt eine materiellrechtliche Klärung der Verfassungsmäßigkeit des Treaty Override vorerst aus.
Der Fall: Besteuerung eines Piloten in Deutschland
Im Ausgangsverfahren arbeitete der Kläger, ein in Deutschland ansässiger Pilot, für eine irische Fluggesellschaft. Seine Vergütungen sollten nach Art. 15 III des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) mit Irland 1962 grundsätzlich im Tätigkeitsstaat – also in Irland – besteuert werden, sofern die Tätigkeit „an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr“ erbracht wird. Irland erhob jedoch keine Steuer, da der Pilot dort nicht unbeschränkt steuerpflichtig war und die irischen Behörden von einer Besteuerung absahen. Das deutsche Finanzamt zog die Einkünfte deshalb in Deutschland heran. Es stützte sich dabei auf § 50d IX 1 Nr. 2 EStG, der unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendung der in einem DBA vereinbarten Freistellung ausschließt (sog. Treaty Override).
Der BFH sah hierin einen Verstoß gegen das Völkervertragsrecht sowie gegen das Rückwirkungsverbot, weil der Gesetzgeber die Vorschrift im Jahr 2013 rückwirkend neu gefasst hatte. Er legte daher dem BVerfG die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm vor.
Fehlende Entscheidungserheblichkeit: Ungeklärte Sachfragen
Nach Ansicht des BVerfG hat der BFH zentrale vorgelagerte Fragen zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland unzureichend geprüft. Er habe nicht sicher festgestellt, ob die Tätigkeit des klagenden Piloten überhaupt den DBA-Tatbestand der Arbeit „im internationalen Verkehr“ erfüllt, der Voraussetzung für die irische Besteuerungszuweisung wäre. Ebenso wenig sei ausreichend geklärt worden, weshalb Irland tatsächlich keine Steuer erhoben habe – etwa aufgrund fehlender Steuerpflicht, einer Steuerbefreiung oder anderer nationaler Regelungen. Diese Sachfragen seien jedoch essenziell, um beurteilen zu können, ob die Norm des § 50d IX EStG im konkreten Fall überhaupt zum Tragen komme.
Der BFH hatte geltend gemacht, § 50d IX EStG verletze das Völkervertragsrecht und verstoße gegen das Rückwirkungsverbot, da die Neufassung im Jahr 2013 auch für die Vergangenheit gelten sollte.
Das BVerfG stellte jedoch fest, dass die Vorlage diese verfassungsrechtlichen Bedenken nicht hinreichend mit der tatsächlichen Rechtslage im Ausgangsfall verknüpft habe. Die gebotene umfassende Prüfung des ausländischen Steuerrechts sei ebenso ausgeblieben wie eine nachvollziehbare Darstellung der Relevanz der rückwirkenden Gesetzesänderung.
Eine inhaltliche Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Treaty Override traf das BVerfG ausdrücklich nicht. Der Grundsatz, dass völkerrechtliche Verträge wie Doppelbesteuerungsabkommen im nationalen Recht nur einfachen Gesetzesrang besitzen und grundsätzlich durch spätere Gesetze verdrängt werden können, blieb damit unberührt.
Stellungnahme: BRAK bejaht Treaty Overrides als verfassungsgemäß
Im Vorfeld hatte das BVerfG die BRAK um eine Stellungnahme gebeten. Darin hatte sie ebenfalls die mangelnde Begründungstiefe des BFH kritisiert und zudem hervorgehoben, dass völkerrechtliche Verträge wie Doppelbesteuerungsabkommen innerstaatlich nur den Rang einfachen Bundesrechts haben und durch spätere Gesetze verdrängt werden können. Die BRAK betonte das Demokratieprinzip und die verfassungsrechtlichen Grenzen rückwirkender Eingriffe. Während das BVerfG materiell offenblieb, gelangte die BRAK in ihrer Stellungnahme bereits zu dem Ergebnis, dass Treaty Overrides grundsätzlich verfassungsgemäß sind. | |
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Rechtsprechungsübersicht OLG Hamm Dezember 2025 |
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Impressum
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Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Hamm
Körperschaft des öffentlichen Rechts, vertreten durch den Präsidenten,
Ostenallee 18, 59063 Hamm
Tel.: 02381/985000, E-Mail: info@rak-hamm.de, Internet: www.rak-hamm.de
Redaktion und Bearbeitung: RA Stefan Peitscher
Zuständige Aufsichtsbehörde:
Der Präsident des Oberlandesgerichts Hamm, Heßlerstraße 53, 59065 Hamm
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